Dienstag, Januar 20, 2009

Lukas und sein Handbike

„Auf geht´s, zieh durch!“ denkt sich Lukas, als er mit gut 30 km/h über die Rennstrecke schießt. Er befindet sich kurz vor dem ersehnten Ziel und muss nochmal alle Reserven mobilisieren. Da hört Lukas die kreischenden Zuschauer, die ihm zujubeln und ihn anfeuern und er gibt noch ein letztes Mal richtig Gas. Die Ziellinie kommt immer näher und endlich hat er es geschafft. Lukas hat den Gutenberg Marathon in seiner Altersklasse gewonnen.

Lukas ist ein ganz normaler 16-jähriger Junge aus der Nachbarschaft. Er hat dunkelblondes Haar, blaue Augen und vertreibt sich die Zeit auch mal auf dem Skater Park oder beim Basketball spielen. Er lacht gern über sich selbst und träumt davon später mal eine Familie zu gründen und ein Haus zu bauen. 
Auf den ersten Blick unterscheidet sich Lukas also nicht von all den anderen jungen Sportlern in seinem Alter, außer in der Tatsache, dass er aufgrund eines offenen Rückens seit seiner Geburt im Rollstuhl sitzt. Er fährt kein Fahrrad, sondern ein sogenanntes Handbike. Mit diesem können behinderte Sportler an Wettkämpfen, wie dem Gutenberg Marathon, teilnehmen. 

Das Handbike ist das Sportgerät mit dem Lukas seine Rennen fährt. Es ist vergleichbar mit einem Fahrrad, das aber allein durch die Arme angetrieben wird. Je nach der Art der Behinderung kann der Fahrer darin liegen, oder sitzen. Lukas sitzt in seinem Bike und gibt offen zu „beim ersten Mal fahren, hat man nach zwei Stunden das Gefühl, die Oberarme sterben einem ab“. Heute hat sich Lukas voll an seine Rennmaschine gewöhnt und hält sie für das optimale Trainingsgerät – auch für Nichtbehinderte. Denn durch die sitzende Position wird der Rücken entlastet und Rückenschmerzen verschwinden.

Aus diesem Grund nahm auch sein nichtbehinderte Vater mit ihm zusammen am Gutenberg Marathon teil. Das Zusammenspiel von Behinderten und Nichtbehinderten ist für Lukas etwas völlig Normales. Selbst wenn mal keine Nichtbehinderten unter den Handbikern an den Start gehen, so gibt es häufig Sportveranstaltungen die zusammen bestritten werden. Beispiele sind der New York Marathon oder der Stuttgart Lauf. An letzterem hat Lukas selbst schon teilgenommen. Die Handbiker starten häufig eine halbe Stunde vor den normalen Läufern. Die Teilnahme von behinderten Sportlern gestaltet
einen Wettkampf interessanter. Diesen Eindruck hatte wohl auch die Radsportgruppe Ludwigsburg, als sie die Handbiker darum bat, mit den Nichtbehinderten einen Lauf zu organisieren. Der Sportgruppe ist die Teilnahme der Behinderten wichtig, damit diese die Möglichkeit haben zusammen mit den normalen Sportlern einen tollen Wettkampf zu bestreiten.

„Ich bin der Meinung es gibt nichts was man als Behinderter nicht tun kann, was Nichtbehinderte machen!“, sagt Lukas. Gerade im Sport liegt Lukas mit dieser Meinung ganz nah an der Realität. Heute findet man in fast jeder Sportart auch behinderte Sportler, die sich mit den Nichtbehinderten messen wollen. Einer davon ist Hannes Köppen der als erster Rollstuhlfahrer an dem Ironman auf Hawaii teilnahm. Ein Anderer ist Reinhold Sampl der in seiner Freizeit Handbike fährt und beruflich einer der zehn weltbesten Monoskifahrer ist. Menschen wie sie, sind für Lukas Vorbilder, denn sie reden nicht die ganze Zeit über Ihre Behinderung, sondern nehmen sie stattdessen hin und zeigen anderen Behinderten, wie „normal“ es sich trotz Behinderung leben lässt.

Lukas selbst würde gerne ein Vorbild für Andere sein. 
Er hat keinerlei Probleme sich in einer Welt der Nichtbehinderten zurecht zu finden. Er will so bleiben wie er ist! Obwohl für Lukas die Möglichkeit bestehen würde durch eine Operation eventuell wieder laufen zu können, lehnt Lukas diese ab. Denn sie würde ein halbes Jahr Krankenhausaufenthalt bedeuten und das wäre für ihn „verlorene Lebenszeit“. 

Lukas fühlt sich als normaler Teil der Gesellschaft. „eine 200 kg Frau wird eher angestarrt als ich“ und falls ihn doch mal jemand komisch ansieht, dann lächelt er und winkt der Person zu. Für Lukas ist die Frage der Integration von Behinderten, sei es im Sport oder im Alltag nur ein Problem der Behinderten. Sie seien die Einzigen die durch fehlendes Selbstbewusstsein den normalen Umgang mit den Nichtbehinderten erschweren. Wenn ein körperlich beeinträchtigter Mensch mit sich selbst zufrieden ist, dann lebt er problemlos in einer Gesellschaft „normaler“ Menschen.

Lukas ist ein Musterbeispiel der Integration. Wenn er mal im Mittelpunkt stehen will, dann mit seinem Sport. Sein Traum ist es, einmal am New York Marathon teilzunehmen. Lukas ist eben doch ein ganz normaler 16 Jähriger Junge mit großen Träumen und Zielen.